Christoph Türcke geht in “Mehr, Philosophie des Geldes” von einer Umkehrung der Religiösität zu Beginn des Neolithikums aus. Die Jäger und Sammler der Vorgeschichte verehrten vornehmlich das Tier, und im Besonderen die Schlange - auch die Nebenformen Drachen, Lindwurm - als real existenten Gott, welchen man durch Menschenopfer zu verehren hatte. Man opferte einen geliebten Menschen um im Tausch mit dem Gottestier Heil und Jagdglück zu erhalten. Die neolithische Revolution führte aber nicht nur zu einer Umkehrung der Erde von einem Arbeitsgegenstand zu einen Arbeitsmittel, sondern führte durch die Zähmung der Tiere - als erstes des Rindes - zur Vergöttlichung der Naturprozesse, wodurch diesen nun der ehemalige Gott - das Tier - geopfert wurde. Statt Menschen zu opfern, opferte man den Göttern als Naturprozessen zuerst Rinder, aber auch andere Tiere, die demnach in Rindern als Wertmaßstab gemessen worden. Ursprünglich wurden die Tiere ganz verbrannt und später gemeinsam in einer Feier verspeist, wobei man nur noch einzelne Teile für die Gottheit verbrannte, daher die Opferung zunehmend symbolisch durchführte.
Später erkannte man konkrete menschenähnliche Funktionsgötter als Gottheiten, und wandte sich von den Naturprozessen ab. Nun wurden aber den Funktionsgöttern die Naturprozesse geopfert, als erstes die Große Mutter Erde in Form von Ton. Der Ton und Terrakotta wurde zudem in Gestalt der ursprünglichen Tiere geopfert. Da dieses Gestein der Erde nicht als solches verbrannt werden konnte, zerschlug man die Tonfiguren zu Scherben. Dieser Brauch hat sich bis heute als Polterabendzeremonie gehalten.
Später ging man zur Opferung der himmlischen Vater-Gottheiten über. Hierbei stand das Gold für die goldene Sonne, das Silber für den silbernen Mond, das Kupfer/Bronze für die Venus und das reichhaltige Eisen für die unzähligen Sterne. So opferte man Gold und Silber, dessen Wertverhältnis ihrer scheinbaren Umlaufperioden von 1:13 entsprach. Das Problem bei der Opferung von Edelmetall ist, daß es im Unterschied zu Tieren nicht verbrannt oder verzehrt werden kann, und im Unterschied zu Tonfiguren man das Material an sich nicht zerstören kann. Man ist also zur Deponierung der Opfergabe in einem Tempel genötigt. Dort könnte nun der Tempelschatz ins Unermessliche anwachsen, aber da nun auch nicht jeder Gläubige über das gute Edelmetall verfügt, geht der Tempel zur Verleihung von Gold und Silber über. Bevor die Leihgabe aber erneut geopfert werden kann, bedarf es der Zahlung einer Strafgebühr, bzw. Zins an die Gottheit selbst und den Tempel. Der Tempel verkauft somit stetig Gold und Silber gegen Naturalien - wobei der Metallbestand langfristig ungefähr konstant bleibt, die Naturalien aber täglich hinzukommen. Da alle Naturalien und besonders Lebensmittel alsbald verderben, wird es für den Priester interessant Arbeitsaktionen, zB. Kanalbauten, Stadtmauern oder Heere zu versorgen. Hier kann das ganze Dorf, und Nachbardörfer zu diesen Dienstfeiern kommen - im Falle des sumerischen Mesopotamien - Kanäle bauen, und aus der Tempelbank mit Naturalien fürstlich versorgt werden.
Für sich wird monotheistischen Göttern auch noch vielerlei Güter geopfert, an sich ist das Hauptopfer dieser Exklusivgötter die Erinnerung der ehemaligen Gegengötter. Schon Echnaton tilgte jede Erinnerung an die alten Götter in Ägypten aus, schloß Tempel und zerstörte Inschriften. Da der Jahwe-Kult der Israeliten in der Thora überliefert ist, kann hier sehr gut der Vertilgungswillen des monotheistischen Gottes nachempfunden werden. Jahwe erklärt sich sogar zur alleinigen Existenz und spricht allen restlichen Wesen die Existenzberechtigung ab. Dies gilt sogar ausdrücklich den Israeliten selbst, insofern sie seine Befehle mißachten. Wo man einst noch fremde Götter respektierte, so vertilgen auch Christentum und Islam jedwede fremde Glaubensausübung, da diese mit der monotheistischen Kernbotschaft unvereinbar sind. Das Problem der abrahmitischen Religionen ist das Gott als Herr und somit Staat gesehen wird. Der Herr und Eigentümer aller Untertanen verneint die Freiheit von Mensch und Tier.
In Golgata endlich opfert sich der monotheistische Geist-Gott selbst dem Menschen - aber nicht dem Menschen an sich, sondern den zur Einheit mit Gott erhobenen Menschen - in naturalistischer Gestalt als Jesus Christus. In der Einheit von Gott und Mensch ist an und für sich kein Opfer nötig, zumal das einzige Opfer aus der Selbstopferung Gottes besteht, doch haben wir trotzdem ein immenses Bedürfnis nach professioneller Fürbitte und Sündenablass, um ein angenehmes Leben im Jenseits zu gewährleisten. Fürsten und Könige stifteten im Mittelalter Klöster, um dort eine ganze Fabrik an Fürbitte-Arbeitern zur Seite zu haben. Aus dem germanischen Wergeld konnte sich eine opferähnliche Handlung, des Ablasses entwickeln, mit der Jeder praktisch seine Sünden vergelten konnte. Später, als die Klöster Reliquien ansammelten, zahlten die Menschen für eine Berührung und das Ansehen. Reliquien sind darum Datenträger, die das Heil der Heiligen und Märtyrer speichern, und unendlich vervielfältigen, bzw. kopieren können. Da das Heil aber Information ist, ist es unbegrenzt an die Gläubigen zu verkaufen, wodurch das Kloster oder Bistum eine Menge Geld anhäuft, und in der Gotik den Reliquien und Bischofssitzen würdige Kathedralen errichtet. Für die ewigen Baustellen siedelten sich um den Kathedralen Handwerker an, wie es Gebäude für Handwerker bedurfte, und Handwerker für Handwerker. Am Ende brauchte es noch eine Stadtmauer, und man versteht endlich die Stadtgründungsdynamik des späten Mittelalters, wo man im Durchschnitt eine Stadt je Monat gründete.
In der Selbstopferung Gottes als Herr und Staat erkennt sich die Welt und Gott als Substanz allen Seins und Lebens, denn die Unendlichkeit Gottes ist nur unendlich, wenn er in allen Wesen keine Grenze kennt, sondern sich selbst. Im Vedanta weiß Brahman sich in allen Wesen und allen Sein, ebenso weiß der menschliche geist daß er als Atman reines Sein, Wissen und Glückseligkeit ist und nichts bedarf um erfüllt zu sein.
Namaste.